Altglas: Carl Zeiss Jena Tessar 2.8/50 T
Altglas: Carl Zeiss Jena Tessar 2.8/50 T
Geschichtliche Entwicklung
Im Jahr 1902 meldete Paul Rudolph eine Objektivkonstruktion mit 4 Linsen unter der Bezeichnung Tessar für die Firma Carl Zeiss zum Patent an. Das Tessar stellt einen großen Fortschritt bei der Konstruktion von Objektiven dar, da erstmals alle wichtigen Abbildungsfehler in einem Objektiv korrigiert werden konnten. Es erwarb sich schnell den Ruf als „Adlerauge“ und „Schärfenwunder“, u.a. weil es eine hohe Schärfe bis zum Bildrand erreichte. Zudem war das Tessar durch seinen einfachen Aufbau gut für eine Massenproduktion geeignet.
Die enorme Bedeutung wird auch daran deutlich, dass die beiden hinteren Linsen des Tessars jahrzehntelang das Firmenlogo von Carl Zeiss Jena bildeten. Sie sind bis heute im Emblem des Fußballclubs Carl Zeiss Jena zu sehen [5 6 🔗]. Allerdings sind diese beiden Linsen auch in anderen Objektiven, wie z.B. dem Planar, vorhanden.
Bis zum 2. Weltkrieg konnten verschiedene Konstrukteure die Lichtstärke immer weiter erhöhen, bis schließlich Willy Merté 1930 für Carl Zeiss ein Tessar mit f/2.8 entwickelte. Dies wird i.A. als die größtmögliche Lichtstärke des Tessars angesehen, allerdings gab es bereits in den 1920er Jahren Tessare mit f/2.7 mit einen kleinen Bildkreis. Weiterhin entwickelte Willy Merté unter Verwendung asphärischer Linsen ein Tessar mit f/2.0, welches jedoch nie in die Serienproduktion gelangte.
Obwohl die Erhöhung der Lichtstärke auf f/2.8 mit Kompromissen hinsichtlich Bildqualität und Schärfe einherging, behielt das Tessar seinen Ruf als „Adlerauge“.
Nach dem 2. Weltkrieg entnahmen die USA und die UdSSR als Reparation Maschinen, Material, Konstruktionspläne und Patente von Carl Zeiss. Wichtige Fachleute wie Willy Merté wurden abgeworben.
In dieser katastrophalen Situation versuchte man in Jena einen Neuanfang. Zunächst wurde ein Tessar mit f/3.5 und einer Brennweite von 50mm produziert. Harry Zöllner, der Leiter der Abteilung Photo in Jena, berechnete 1947 das Tessar 2.8/50mm neu, um es auf aktuelle Glassorten anzupassen. Dieses Modell steht für den Wiederaufstieg von Carl Zeiss in der DDR. Lange Zeit trug es das begehrte Gütesiegel 1Q. Eine spätere Überprüfung mit Hilfe von computergestützten Berechnungen zeigt auf, dass Harry Zöllners Konstruktion kaum noch Verbesserungspotential hat.
Somit wurde das Tessar 2.8/50 optisch unverändert bis 1988 produziert. Die Weiterentwicklung beschränkte sich auf Designänderungen von Aluminium über Zebra zu Schwarz, die Einführung der Mehrschichtvergütung, die Reduzierung der Blendenlamellen von 14 auf 12, 8, 6 und schließlich 5, sowie Anpassungen an verschiedene Kameraanschlüsse. Durch die Entwicklung neuerer, und vor allem lichtstärkerer Objektive veraltete das Tessar mehr und mehr.
Ältere Exemplare des Tessars 2.8/50 tragen oft ein rotes „T“, um das sich zahlreiche Legenden ranken. Gern wird von Händlern behauptet, dass diese Versionen speziell vergütet oder besonders hochwertig sind und für den Export bestimmt waren. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die auf dem deutschen Gebrauchtmarkt recht häufig angebotenen Exemplare mit rotem „T“ alles Exportvarianten waren. Aus rechtliche Gründen hat Zeiss bei den Exportvarianten zeitweise das Wort „Tessar“ durch ein „T“ ersetzt, was man nicht mit dem roten „T“ zusätzlich zum Wort „Tessar“ verwechseln darf.
Nach dem 2. Weltkrieg begann man in Jena zunächst mit der Produktion unvergüteter Objektive, ging jedoch sehr schnell zur Produktion vergüteter Objektive über, welche man auffällig mit einem roten „T“ kennzeichnete. Als die Vergütung mehr und mehr selbstverständlich wurde, verzichtete man in etwa ab der Seriennummer von 4,2 Millionen auf das rote „T“. Es gibt jedoch keine Seriennummer, die die Grenze zwischen beiden Varianten bildet. Ich habe Verkaufsportale im Netz durchsucht: Die früheste Versionsnummer ohne rotem „T“ war 4.074.036, die späteste Versionsnummer mit rotem „T“ war 4.302.217.
Das Tessar 2.8/50 ist in der Altglasszene recht beliebt und auf dem Gebrauchtmarkt reichlich und günstig vorhanden. Die Tessare sind oft in einem sehr guten Zustand, da sie, im Gegensatz zum Domiplan, hochwertige Luxusgüter waren. Zudem war die Fertigungsqualität bei Zeiss wesentlich besser als in der Massenproduktion des Domiplan.
Im Herbst 2023 überlegte ich, ein Tessar 2.8/50 anzuschaffen.
- Nach meinen Erfahrungen mit dem Industar-2 3.5/50 wollte ich ein lichtstärkeres und hochwertigeres Tessar.
- Meine bisherigen alten Objektive zeigen abgeblendet auf f/2.8 kaum noch spezifischen Charakter und zumeist deutlich sechseckige Bokehmuster. Daher überlegte ich schon länger, ein Objektiv mit Anfangsblende f/2.8 anzuschaffen.
- Ich wollte ein Objektiv mit möglichst vielen Blendenlamellen, damit die Bokehmuster auch beim Abblenden nahezu kreisrund bleiben. Modelle mit 14 Blendenlamellen werden jedoch als seltene Raritäten gehandelt.
Aus verschiedenen technischen Gründen kaufte ich im Oktober 2023 eines der häufig angebotenen, günstigen Varianten mit Altix-Anschluss, 12 Blendenlamellen und rotem „T“, welches ich auf M42 umbaute. Das Objektiv war hervorragend erhalten. Nach Angaben des Vorbesitzers wurde es kaum benutzt und lag jahrzehntelang im Wohnzimmerschrank.
Schließlich bekam ich im April 2024 auf einem Flohmarkt ein ebenfalls sehr gut erhaltenes Exemplar für M24 mit 12 Blendenlamellen ohne rotem „T“. Die Anpassung auf Canon EF war, wegen des hinten weit herausstehenden Gehäuses, recht schwierig.
Ich habe weiter unten ein Foto, bei dem man tatsächlich Unterschiede in der Vergütung erkennen kann.
Galerie
Die folgende Galerie zeigt einige Testaufnahmen mit dem Altix-Tessar (gelbbraune Vergütung, rotes „T“):
Tour nach Naumburg
Am Ostermontag 2023 unternahm ich eine Radtour von Bad Dürrenberg nach Naumburg, wobei ich das Pentax Asahi 1.4/50 ausführlich testete. Im April 2024 unternahme ich, wiederum bei sehr sommerlichen Wetter, fast die gleiche Tour, diesmal jedoch mit dem Altix-Tessar (gelbbraune Vergütung, rotes „T“). Bei einigen Fotos zur Mittagszeit hatte ich erhebliche Probleme mit der Farbabstimmung.
Die blaue Vergütung
Im April 2024 testete ich das M42-Tessar (blaue Vergütung, ohne rotes „T“) auf einer Radtour an meiner alten 70D. Später kamen noch einige weitere Fotos dazu.
Fotos der Objektive
Fazit
Bei den ersten Aufnahmen war ich von dem Seifenblasenbokeh angenehm überrascht. Das Tessar kann seine Verwandtschaft mit dem Cooke-Triplet nicht leugnen.
Seinem Ruf als „Adlerauge“ und „Schärfenwunder“ wird es allerdings nicht ganz gerecht. Man muss hierbei zum einen bedenken, dass der gute Ruf des Tessars vor über 100 Jahren entstanden ist und die Entwicklung natürlich weiter gegangen ist. Zum anderen denke ich, dass man bei der Erhöhung der Lichtstärke Kompromisse bei der Schärfe gemacht hat.
Trotzdem ist mein Tessar 2.8/50 ein sehr gutes historisches Objektiv. Seine große Stärke besteht darin, dass das Bokeh aufgrund der 12 Blendenlamellen auch beim Abblenden kreisrund bleibt. Aus diesem Grund ist es sehr interessant für künstlerische Fotografie, wenn man Blenden von f/2.8 und kleiner verwenden möchte.
Wer sich ein Tessar anschaffen möchte, sollte defintiv zu einer Variante mit 12 (oder 14) Blendenlamellen greifen. Exemplare für Altix-Anschluss sind leicht anzupassen und zumeist günstiger als Domiplan oder das Industar-2. Wer eine hohe Schärfe bei f/2.8 benötigt, sollte sich jedoch nach anderen Objektiven umsehen.